Mehr Power für die europäische Photovoltaik-Produktion

Mit dem Net-Zero Industry Act strebt die EU-Kommission an, den Ausbau der Produktionskapazitäten von sauberen Technologien wie Photovoltaik und Solarthermie, Windkraft, Wärmepumpen, geothermische Energietechnologien sowie Batterie- und Speichertechnologien zu forcieren. Um Abhängigkeiten von anderen Ländern zu vermeiden, sollen künftig 40 Prozent des EU-Jahresbedarfs dieser Technologien in Europa produziert werden.

 

In Deutschland boomt derzeit der Photovoltaik-Markt, was sich auch im Kinobereich deutlich abzeichnet. Eine wachsende Anzahl von Filmtheaterbetreiber*innen installieren Solaranlagen auf ihrem Kinodach, für die sie seit 2022 finanzielle Unterstützung im Rahmen der FFA-Kinoförderung erhalten können. Im ersten Halbjahr 2023 sind bei der FFA allein 23 Anträge auf Förderung einer Photovoltaik-Anlage eingegangen. Die Zielsetzung, in Deutschland 2023 eine PV-Leistung von insgesamt neun Gigawatt zu installieren, ist bereits im September übertroffen werden.

 

Im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2023) wird bis zum Jahr 2030 eine installierte Photovoltaik-Leistung von 215 Gigawatt angestrebt. Die Steigerung des Ausbaus erfolgt stufenweise. Laut Bundesnetzagentur waren in Deutschland im Oktober 2023 mehr als 3,45 Millionen Photovoltaik-Anlagen mit insgesamt 77,672 Gigawatt (Stand 18.10.2023)  installiert. Für 2024 wird eine Steigerung der installierten Leistung von Solaranlagen auf 88 Gigawatt anvisiert. Um den angestrebten Ausbau des PV-Energiesektors in Europa zu sichern, fordern Interessenvertreter der PV-Industrie die Politik zu Maßnahmen auf, die den Aufbau einer lokalen, nachhaltigen Wertschöpfungskette für die Solarindustrie ermöglichen.

Derzeit werden die meisten Komponenten und Bauteile für Photovoltaik-Anlagen in China hergestellt. Das Land verfügt über mehr als 96 Prozent der weltweiten Produktionskapazität für Silizium-Wafer. Diese hauchdünnen Scheiben, die aus Rohblöcken gesägt werden, bilden die physische Basis der Solarzelle. Die Abhängigkeit von PV-Produkten aus einem einzigen Land könnte im Fall von Lieferunterbrechungen den Ausbau der Solarenergie in Europa behindern. Nachdem die hohe Abhängigkeit vom russischen Erdgas in Deutschland 2022 zu einer Energiekrise geführt hat, warnen Industrievertreter der Solarbranche davor, dass Lieferengpässe in Fernost die Umsetzung der Energiewende gefährden könnten.

 

Das chinesische Handelsministerium und das Ministerium für Wissenschaft und Technologie haben Anfang 2023 den Katalog der Technologien erweitert, die Ausfuhrbeschränkungen unterliegen. Die Exportbeschränkungen gelten für Anlagen und Equipment, die zur Herstellung von Wafern und Polysilizium eingesetzt werden. Das Gesetz findet bereits bei Technologieexporten nach Indien Anwendung, denn es dürfen keine Maschinen mehr zur Herstellung von Ingots und Wafern nach Indien geliefert werden. Die Ausfuhr dieser Produkte selbst unterliegt keinen Beschränkungen, denn China möchte weiterhin seine Monopolstellung im Bereich der PV-Produktion nutzen.

 

Nach Angaben des European Solar Manufacturing Council (ESMC), dem Industrieverband der europäischen Photovoltaik-Branche, sind die Preise für Solarmodule aus China binnen eines halben Jahres von 24 Cent/kWp auf 15 Cent/kWp gefallen und liegen damit weit unter den Produktionskosten. Europäische Hersteller, die ihre Solarmodule zum Preis von 30 Cent/kWp vermarkten, haben gegen diese Dumpingpreise keine Chance. Der ESMC hat die EU aufgefordert, strenge Rechtsvorschriften zu erlassen, um Zwangsarbeit in den Lieferketten zu vermeiden. Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments haben im Oktober 2023 einer neuen EU-Verordnung zugestimmt, die ein Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten vorsieht.

Darüberhinaus wird in Brüssel darüber diskutiert, Zölle auf Photovoltaik-Produkte aus China zu erheben. Die Europäische Kommission hatte erst vor fünf Jahren die Strafzahlungen auf günstige Solar-Module aus China aufgehoben. Da die europäischen Hersteller jedoch auf Zulieferungen aus China angewiesen sind, würden Strafzölle die Umsetzung der Energiewende verteuern.

 

Auf dem Solargipfel in Berlin haben Vertreter aus mehreren Bundesländern und der Solarwirtschaft ein Zehn-Punkte-Programm zum Erhalt der Solarindustrie in Deutschland verfasst, in dem unter anderem eine Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen für die europäische Solarindustrie gefordert wird. Bei Ausschreibungen sollten künftig Qualitäts- und Nachhaltigkeitskriterien wie die Recyclingfähigkeit, der CO2-Fußabdruck sowie die Arbeitsbedingungen in der Produktion berücksichtig werden.

 

Bei der ersten Lesung zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und weiterer energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung (PV-Paket I) im Bundestag hat der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) dafür plädiert, das PV-Gewerbesegment und die heimische Wertschöpfung für einen resilienten Standort zu stärken. Dazu gehört der Vorschlag, im Rahmen des Solarpakets einen Ausgleich für die stark gestiegenen Kapitalkosten bei der Förderung neuer Solarstromanlagen auf Gewerbedächern zu schaffen. Mittels zeitlich und mengenlimitierter Resilienz-Boni und -Auktionen sollten zudem Wettbewerbsnachteile während des Aufbaus und der Skalierung solarer Giga-Fabriken in Europa gegenüber Wettbewerbern im Ausland ausgeglichen werden.