Rechtsrahmen und mögliche Modelle für Energy Sharing

Eine erfolgreiche Energiewende erfordert auch eine optimale lokale Nutzung erneuerbarer Energien. Eine Lösung kann Energy Sharing bieten, das es ermöglicht, den Solarstrom vom Haus des Nachbarn oder die Windenergie aus dem eigenen nahe gelegenen Windenergiepark zu nutzen. Der erzeugungsnahe Verbrauch kann sogar einen zusätzlichen Anreiz für den weiteren Zubau Erneuerbarer Energien schaffen. Die Deutsche Energie-Agentur (dena) hat im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die aktuelle Rechtslage und mögliche Modelle zur energiewirtschaftlichen Umsetzung von Energy Sharing in Deutschland untersucht.

 

Definiert wird „Energy Sharing“ als der abgestimmte Verbrauch von in räumlicher Nähe gemeinschaftlich erzeugtem Strom unter Nutzung des öffentlichen Netzes. Das EU-Recht sieht vor, dass gemeinschaftlich handelnden Eigenversorgern sowie Mitgliedern von EE- und Bürgerenergiegemeinschaften die Nutzung des von der Gemeinschaft erzeugten Stroms diskriminierungsfrei ermöglicht werden muss. Geregelt ist dies in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) sowie in der novellierten Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie (EMD).

 

Bislang finden Projekte zur gemeinschaftlichen Stromversorgung vor Ort in Form von Quartiers-, Gebäude- oder Mieterstrommodellen statt, bei denen keine Nutzung des öffentlichen Stromnetzes erfolgt. Energy Sharing ist in Deutschland zwar möglich, aber dies erfordert die vollständigen Lieferantenpflichten zu erfüllen. Damit einher gehen Transparenz- und Meldepflichten, Netznutzungsverträge und -entgelte sowie die Beschaffung und Bereitstellung von Reststrom. Der erhebliche organisatorische Aufwand und das hohe finanzielle Risiko erschweren kleinen Akteuren die praktische Umsetzung.

Mit Unterstützung von etablierten Unternehmen der Energiewirtschaft wie Stadtwerken sind bereits Energy-Sharing-Modelle in Deutschland erprobt worden. Dazu gehören Initiativen wie die bürgereigene Genossenschaft EWS Elektrizitätswerke Schönau oder der Bürgerwindpark Janneby in Schleswig-Holstein. Für eine mögliche Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen stellt die dena drei prototypische Modelle vor.

 

In der ersten Variante bieten die Mitglieder der Energy Sharing Community (ESC) ihren nicht selbst genutzten Strom einem zentralen Lieferanten an, der damit die Verbraucher beliefert. Praktiziert wird dies im Rahmen des Pilotprojekts WUNergy, bei dem die Stadtwerke SWW Wunsiedel Mitglied der Genossenschaft sind. Die Prosumer verbrauchen einen Teil des selbst erzeugten Stroms. Der Rest wird im Rahmen eines Power Purchase Agreements (PPA) an die Stadtwerke geliefert. Da dieses Vertragsverhältnis unabhängig vom Stromliefervertrag ist, liegt in dieser Konstruktion keine Einspeisung des Stroms nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vor.

 

Im zweiten Modell wählen die Erzeuger der Energy Sharing Community eigene Lieferanten, die ihren Strom abnehmen und damit ausgewählte Verbraucher in der ESC versorgen. Der Reststrom, der nicht von den Erzeugern geliefert werden kann, wird vom Markt oder anderen Lieferanten beschafft. Ein solches Modell ist bislang nur in bestimmten Ausführungen möglich. Die dritte Modellvariante ist ein Peer-to-Peer Trading, bei dem kein Energieversorgungsunternehmen dazwischen geschaltet ist. In diesem Fall bestehen innerhalb der ESC energie- und handelsrechtliche Lieferbeziehungen zwischen dezentralen Erzeugern, Prosumern und Verbrauchern, das eine von der ESC betriebene digitale Plattform erfordert. Ein Modell, das ohne Zwischenschaltung von Brokern oder Energieversorgern auskommt, ist in Deutschland derzeit nicht möglich.

 

Da die energiewirtschaftliche Regulierung hierzulande extrem kompliziert und  kostenintensiv ist, wenn es um dezentrale Versorgung aus Erneuerbaren-Anlagen unter Inanspruchnahme des öffentlichen Stromnetzes geht, fordert die dena einen praktikablen Rechtsrahmen, um in Deutschland das europäische „Right to Energy Sharing“ umzusetzen. Aktuell adressiert wird dies in dem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, der unter anderem eine Änderung des Energiewirtschaftsrechts (EnWG) im Bereich der Endkundenmärkte vorsieht.

 

Energy Sharing Communitys in anderen EU-Staaten

Österreich setzt auf eine Lockerung der Lieferantenpflichten für den Stromaustausch innerhalb dieser Gemeinschaften. Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften, die lokal begrenzt sind und sich innerhalb eines bestimmten Netzgebiets befinden, dürfen neben Strom auch erneuerbare Wärme und Gas handeln. Aufgrund ihrer netzentlastenden Effekte und ihres regionalen Charakters profitieren die Energy Sharing Communitys unter anderem von reduzierten Netzentgelten.

 

In Dänemark kann das öffentliche Netz für Energy Sharing genutzt werden. Die Verrechnung und Verteilung des Gemeinschaftsstroms erfolgt über einen Stromliefervertrag mit einem Stromhandelsunternehmen, das auch den zusätzlichen Strom beschafft. Die Energiegemeinschaft kann diese Aufgaben auch selbst übernehmen und in dem Fall alle Verpflichtungen im Stromhandel tragen.

 

In Italien ist der kollektive Eigenverbrauch aus Erneuerbare-Energien-Anlagen mit einer Kapazität unter 200 kW erlaubt. Dazu zählt die gemeinschaftliche Nutzung Erneuerbarer Energien in Wohngebäuden sowie Gebäuden der Industrie und der öffentlichen Verwaltung. Zudem sind Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften zugelassen, sofern sie an das selbe Mittel- oder Niederspannungsumspannwerk angeschlossen sind. Künftig sollen Erzeugungsgemeinschaften kommunaler Einrichtungen Förderung erhalten, wenn sie ein Energy Sharing aufbauen.