Erneuerbare Energien auf Rekordkurs
Mit einem Anteil von über 55 Prozent am Bruttostromverbrauch haben die Erneuerbaren Energien im Jahr 2024 einen neuen Rekordwert erzielt. Nach den Berechnungen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) ist der Anteil der Erneuerbaren um zwei Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Damit decken die Erneuerbaren inzwischen fast durchgängig mehr als die Hälfte des Stromverbrauchs. Besonders stark zugelegt hat die Stromerzeugung aus Photovoltaik und Offshore-Windkraft.
Trotz eines eher unterdurchschnittlichen Sonnenjahres produzierten die Photovoltaik-Anlagen in Deutschland 2024 insgesamt 72 Milliarden kWh Strom. In den Sommermonaten Juni, Juli und August sind erstmals mehr als 10 Milliarden kWh Strom pro Monat aus Solarenergie erzeugt worden. Diese Strommenge beinhaltet nicht nur den Solarstrom, der in das öffentliche Netz eingespeist worden ist, sondern auch den Eigenverbrauch der PV-Anlagenbetreiber, zu denen auch eine wachsende Anzahl von Kinos gehören.
Die Bundesnetzagentur hat im Marktstammdatenregister in den zurückliegenden zwölf Monaten einen Zubau von Photovoltaik-Anlagen mit einer installierten Gesamtleistung von 15.693,1 Megawatt verzeichnet. Damit beläuft sich die installierte Photovoltaik-Leistung in Deutschland den Berechnungen des BDEW zufolge auf 100.000 Megawattpeak (Mwp).
„Gerade angesichts der hohen Zubauzahlen bei der Photovoltaik ist aber auch darauf hinzuweisen, dass es bisher nicht gelungen ist, die hohen Lieferabhängigkeiten vom Ausland zu reduzieren“, kommentiert Prof. Dr. Frithjof Staiß, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg. „Hier bietet der jüngst im Rahmen des Innovationsfonds von der neuen EU-Kommission veröffentlichte 3,4 Milliarden Euro umfassende Förderaufruf für Projekte in den vom Net Zero Industry Act adressierten Themenschwerpunkten unmittelbar die Chance, mit dem Aufbau von Produktionskapazitäten für die Photovoltaik ebenso wie für Windenergie-Anlagenkomponenten höhere Wertschöpfungsanteile zu generieren und den Industriestandort Deutschland zu stärken.“
Die Windkraft bleibt ein zentraler Pfeiler der Stromerzeugung in Deutschland, mit der rund 142 Milliarden kWh produziert wurden. Während die Windkraft an Land aufgrund der Flaute im vierten Quartal mit 115 Milliarden kWh leicht rückläufig gegenüber dem windstarken vierten Quartal im Vorjahr war, verbuchten die Windkraft-Anlagen auf See mit knapp 27 Milliarden kWh einen elfprozentigen Zuwachs.
Mit der Energiewende gehen auch neue Herausforderungen wie ein weiterer Netzausbau und Anpassungen des Energiewirtschaftsgesetzes einher, um Einspeisespitzen zu bewältigen. Um zu vermeiden, dass in solchen Fällen ganze Netzstränge zeitweise vom Netz genommen werden müssen, sind Maßnahmen und Regelungen erforderlich. Eine entsprechende Anpassung des Energiewirtschaftsgesetzes soll ermöglichen, die Netze in Phasen mit sogenannten Einspeisespitzen zu entlasten, ohne den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu bremsen.
Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE hält den Aufbau eines Energiesystems für erforderlich, das resilienter gegenüber geopolitischen Einflüssen und Klimaveränderungen ist. Neben dem Netzausbau und zusätzlichen Speichern bedeutet dies auch einen flexibleren Betrieb des Stromsystems. Da in den nördlichen, windreichen Bundesländern die flexible Stromaufnahme durch Elektrolyse eine zentrale Rolle spielt, werde dort der Großteil der Elektrolysekapazität verortet.
Die Elektrolyse in windreichen Bundesländern könne dazu dienen, eine flexible Spitzenlastdeckung über Gas- und Wasserstoffturbinen in industriestarken Bundesländern zu unterstützen. Zur Netzstabilität werden in allen Bundesländern, vor allem aber in den industriestarken Bundesländern, flexible Gas- und Wasserstoffkraftwerke benötigt. Zudem können stationäre Batterien und flexibel ladende batterieelektrische Fahrzeuge als Kurzzeitspeicher fungieren, um Schwankungen bei der Erzeugung von Photovoltaikstrom auszugleichen.
Nachdem der Atomausstieg in Deutschland erfolgreich umgesetzt und die einseitige Abhängigkeit von russischem Erdgas beendet werden konnte, ist der Ausbau der Photovoltaik- und Windenergie erheblich beschleunigt worden. Um das Energiesystem effizient und bezahlbar zu gestalten, wird eine Reform des Strommarktdesigns sowie eine Flexibilitätsstrategie benötigt, die eine Erzeuger-, Speicher- und Verbraucherflexibilität ermöglicht.
“Wir stemmen die Energiewende nur mit halber Kraft, wenn das vorhandene dezentrale Backup aus steuerbaren Erneuerbaren, Speicher- und Verbraucherflexibilität nicht stärker genutzt wird“, resümiert Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE). „In der aktuellen wind- und sonnenarmen Zeit treiben fossile Kraftwerke deshalb die Energiepreise in die Höhe.“ Im Dezember 2024 hatte die sogenannte Dunkelflaute zu einer Verknappung des Stromangebots geführt und es erforderlich gemacht, die Stromerzeugung mit fossilen Brennstoffen hochzufahren, wodurch die Energiepreise wiederholt auf Höchststände von mehr als 900 Euro pro Megawattstunde angestiegen sind.