Studie zur Klimawirkung von Kompensationszertifikaten
Die tatsächliche Emissionsminderung von Klimaschutzprojekten, mit denen CO₂-Emissionen ausgeglichen werden sollen, ist im Schnitt etwa sechs Mal niedriger als in den Zertifikaten angegeben ist. Zu diesem Ergebnis kommt die im Fachjournal Nature Communications veröffentlichte Metastudie Systematic assessment of the achieved emission reductions of carbon crediting projects, für die über sechzig empirische Studien zu Klimaschutzprojekten systematisch ausgewertet worden sind. Für die Studie wurden etwa ein Fünftel aller bisher ausgegebenen Kompensationszertifikate unter die Lupe genommen, mit denen fast eine Milliarde Tonnen CO₂-Emissionen vermieden werden sollen. Bei allen untersuchten Klimaschutzprojekten wurden systematische Qualitätsprobleme festgestellt.
Während die Projekte zur Vermeidung von Entwaldung nur eine geringe Wirkung entfalten, konnte bei einigen Projekten, die auf eine verbesserte Waldbewirtschaftung abzielen, überhaupt keine Klimaschutzwirkung nachgewiesen werden. „Die Studie zeigt, dass es systematische Probleme bei der Quantifizierung der Emissionsminderungen gibt“, erklärt Lambert Schneider, Forschungskoordinator für internationale Klimapolitik am Öko-Institut. „Zudem sind manche Projekte nicht auf die Einnahmen aus den Zertifikaten angewiesen, sondern werden ohnehin umgesetzt.“
CO2-Zertifikate werden von verschiedenen Akteuren erworben, um einen Teil ihrer Emissionen zu kompensieren oder einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Unternehmen nutzen Zertifikate als Ausgleich, um ihre Nullemissionsziele zu erfüllen oder Klimaschutzmaßnahmen zu finanzieren. Im Rahmen des europäischen Emissionshandelssystems fungieren CO₂-Zertifikate als Klimaschutzinstrumente. Zu diesem Zweck wird für eine Gruppe von Emittenten wie beispielsweise Stromerzeuger und die Industrie ein maximaler Gesamtausstoß an Treibhausgasen festgelegt. Die Emittenten müssen für jede Tonne ihres Treibhausgasausstoßes ein Zertifikat nachweisen. Ziel der Emissionshandelssysteme ist es, dass die Unternehmen ihre Emissionen reduzieren, um möglichst kosteneffizient zu arbeiten.
Mit den Einnahmen aus dem Verkauf von CO₂-Zertifikaten wird ein konkretes Klimaschutzprojekt finanziert. Zu diesem Zweck müssen die Klimaschutzprojekte zunächst bei sogenannten Kohlenstoffmarktprogrammen registriert werden, welche die Anforderungen an die Klimaschutzprojekte und die Ausgabe der Zertifikate festlegen. Die Projekte werden dort von unabhängigen Sachverständigen geprüft. Sofern die entsprechenden Anforderungen des Programms erfüllt sind, werden die Emissionsminderungen berechnet und für jede eingesparte Tonne CO₂ ein Zertifikat ausgestellt. Die Wissenschaftler halten es für dringend notwendig, die methodischen Ansätze und Regeln für Kompensationszertifikate zu verbessern.
Da die Regeln der Kohlenstoffmarktprogramme den Projektentwicklern oft zu viel Flexibilität einräumen, werden unrealistische Annahmen getroffen oder ungenaue Daten verwendet. Eine besonders große Lücke zwischen den Soll- und Ist-Werten klafft bei den Emissionsminderungen, die aus der Zerstörung des Treibhausgases Schwefelhexafluorid (SF6) resultieren. Dabei belief sich die tatsächliche Emissionseinsparung nur auf 16 Prozent der ausgegebenen Emissionsgutschriften. Zudem hatte der Zertifikathandel einen Rebound-Effekt, da die Industrie ab dem Zeitpunkt, als Zertifikate für Emissionsminderungen auf den Markt kamen, sogar mehr Treibhausgase produziert hat.
Um die Qualität der Zertifikate zu erhöhen, sind die Kohlenstoffmarktprogramme gefordert, die Prüfung von Projekten und Berechnung von Emissionsminderungen zu verbessern und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse als Grundlage dafür heranzuziehen. Um die Qualitätsrisiken verschiedener Arten von Klimazertifikaten unabhängig zu bewerten, hat das Öko-Institut zusammen mit dem Environmental Defense Fund (EDF) und dem World Wildlife Fund (WWF USA) die Carbon Credit Quality Initiative (CCQI) gegründet.