Alte Wassermühle in Friesoythe bietet Kino und Kleinwasserkraft

Best Practice-Beispiel

In der historischen Wassermühle in Friesoythe, einer Stadt mit 20.000 Einwohner*innen im Oldenburger Münsterland, betreibt der Mühlenverein seit 1997 ein Kulturzentrum, zu dem auch ein kleines Kommunales Kino gehört. Das Cineo Friesoythe im Obergeschoss der historischen Wassermühle verfügt über 48 Plätze und ist mit professioneller Kinotechnik ausgestattet. Das Gebäude ist im 13. Jahrhundert zusammen mit der Burg von den Grafen von Tecklenburg erbaut worden. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde die alte Wassermühle wieder aufgebaut und bis 1982 von der Firma Warnken betrieben, die als erstes Stromerzeugungsunternehmen im Oldenburger Land aktiv war.

 

Bereits 1904 konnte dort mit einer Wasserturbine Strom erzeugt werden, der ab 1908 ins öffentliche Stromnetz in Friesoythe eingespeist wurde. Nach der Schließung des Betriebes drohte das Gebäude in den 1990er Jahren zu zerfallen. Dank dem Engagement des Mühlenvereins wurde die alte Wassermühle saniert und am Gebäude wieder ein Wasserrad installiert, das mit seiner Stromerzeugung bis zu dreißig Haushalte mit Strom versorgen kann. Durch die Unterstützung der Deutschen Umwelthilfe (DHU) und der EWE-Naturwatt GmbH war der Mühlenverein in der Lage, nicht nur einen Stromgenerator, sondern auch eine Wasserkraftschnecke zu installieren. Mit einer Wasserkraftschnecke lässt sich etwa die zehnfache Menge Strom wie mit einem großen Wasserrad erzeugen.

 

Im Gegensatz zu großen Wasserkraftwerken, bei denen das Wasser bis zu hunderten von Meterm in die Tiefe stürzt, benötigen Wasserkraftschnecken nur Höhenunterschiede von wenigen Metern, um die Schraube und den daran angeschlossenen Generator anzutreiben. Während große Wasserkraftwerke mehr als 100.000 Kilowatt erzeugen können, gelten Anlagen mit einer installierten Leistung  von unter einem Megawatt (MW) als Kleinwasserkraftanlagen. Die Erzeugungsleistung von Wasserkraftschnecken liegt in der Größenordnung von einem bis zu 300 Kilowatt. „Mit unserer Wasserkraftschnecke produzieren wir rund 65.000 Kilowattstunden im Jahr“, sagt Rolf Meemken, Vorstandsmitglied im Mühlenverein in Friesoythe.

 

Das Prinzip der Wasserkraftschnecke basiert auf der archimedischen Schraube, die der griechische Mathematiker und Ingenieur Archimedes vor über zweitausend Jahren erfunden hat. Mit dieser schneckenförmigen Pumpe lässt sich Wasser aus einem Fluss schräg nach oben in ein höher gelegenes Becken leiten. Die Drehbewegung der Schraube, die das Wasser aufwärts transportiert, kann beispielsweise durch eine Windmühle oder ein Wasserrad erfolgen.

 

Neben ihrer energetischen Funktionalität besitzen Wasserkraftschnecken eine hohe ökologische Relevanz, da sie auch für Fische durchgängig sind. In Friesoythe ermöglicht eine vom örtlichen Fischereiverein erbaute Fischtreppe den Fischen einen problemlosen Lauf, der an der Mühle vorbei stromabwärts zur Soeste führt. Die Nutzung von Flüssen und Bächen wird in Deutschland durch das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) geregelt. Danach können die Wassernutzungsrechte erlöschen, wenn statt einer alten Mahlmühle eine moderne Turbine zur Stromerzeugung eingesetzt wird.

 

Die 2023 novellierte EU-Richtlinie 2018/2001 zur Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Renewable Energy Directive – RED III) stärkt das Recht der Eigenversorger zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen. Zudem räumt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2023) Anlagen zur Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien Vorrang ein, weil damit ein überragendes öffentliches Interesse verbunden ist. Diese neuen gesetzlichen Regelungen zielen darauf ab, die behördlichen Verfahren und Genehmigungen für Kleinwasserkraftanlagen zu erleichtern.

 

Bislang trägt die Kleinwasserkraft mit rund drei Terawatttstunden nur unwesentlich zur Stromerzeugung in Deutschland bei. Wasserkraft besitzt den Vorteil, dass sie das ganze Jahr über durchläuft und somit grundlastfähig ist. Nach Einschätzung von Professor Markus Zdrallek, der an der Bergischen Universität Wuppertal Elektrische Energieversorgungstechnik lehrt, sind kleine Wasserkraftwerke von großer Bedeutung für die deutsche Stromversorgung, da sie ihre Leistung stetig und mit hohen Volllastnutzungsstunden einspeisen, ohne Netzüberlastungen zu verursachen. Dadurch wird der Netzausbaubedarf der Verteilnetze erheblich reduziert. Durch ihre gute Regelbarkeit können dezentrale kleine Wasserkraftwerke die Stabilität des Gesamtsystems aktiv unterstützen, was vor dem Hintergrund des vorgesehenen Ausscheidens konventioneller Kraftwerke immer relevanter wird.