Acrylamid-Alarm für Chips, Pommes und Popcorn

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat 230 Lebensmittel auf ihren Acrylamidgehalt untersucht, weil die Substanz in Verdacht steht, Krebs auszulösen. Acrylamid ist ein chemischer Stoff, der sich beim Braten, Backen und Rösten mit hohen Temperaturen über 120°C in stärkehaltigen Lebensmitteln bildet. Acrylamid entsteht überwiegend aus Zuckern und Aminosäuren, die natürlicherweise in zahlreichen Lebensmitteln vorkommen und ist als organische kohlenstoffhaltige Verbindung gut in Wasser löslich. Der chemische Prozess, der zur „Bräunung“ von Lebensmitteln führt und sich auch auf den Geschmack auswirkt, wird als Maillard-Reaktion bezeichnet.

 

Lebensmittelhersteller in der EU sind angehalten, den Acrylamidgehalt bei der industriellen Verarbeitung zu minimieren und den Herstellungsprozess entsprechend zu optimieren. Die EU-Kommission hat 2011 erstmals Acrylamid-Richtwerte für potenziell stärker belastete Produktkategorien eingeführt, zu denen Pommes Frites, Kartoffelchips, Brot, Frühstückscerealien, Kekse, Kräcker und Waffeln, Knäckebrot, Röst- und Instantkaffee sowie Beikost für Säuglinge gehören. Seit April 2018 gilt die EU-Verordnung 2017/2158 zur Festlegung von Minimierungsmaßnahmen und Richtwerten für die Senkung des Acrylamidgehalts in Lebensmitteln. Bislang gibt es keine rechtlich verbindlichen Grenzwerte, die eingehalten werden müssen.

 

Im Rahmen der BfR-MEAL-Studie wurde in verschiedenen Lebensmitteln die durchschnittliche Konzentration von Stoffen wie unter anderem Acrylamid untersucht. Die höchsten Acrylamidgehalte wurden in Gemüsechips (1430 μg/kg) nachgewiesen. Weit oben auf der Schadstoffliste rangieren Kartoffelpuffer (558 μg/kg) und Bratkartoffeln (450 μg/kg) gefolgt von Popcorn (243 μg/kg), das im Rahmen der Studie in Deutschland unter die Lupe genommen wurde.

Der hohe Acrylamidgehalt wird auf die hohen Temperaturen bei der Popcornzubereitung zurückgeführt. Für die Studie wurden verschiedene Zubereitungsmethoden für Popcorn getestet, zu denen eine Erhitzung im Grill, Mikrowelle und Herd gehörten, wobei der Acrylamidgehalt zwischen 220-280 μg/kg rangierte. Die höchsten Acrylamidgehalte wurden in gegrilltem Popcorn gemessen (280 μg/kg). In früheren Studien waren bei der Untersuchung von Popcorn Acrylamid-Werte im Bereich 106-761 μg/kg gemessen worden.

 

Mehr als ein Drittel der Lebensmittel, die von der Bevölkerung in den USA und Europa konsumiert werden, enthalten Acrylamid. In Hinblick auf die öffentliche Gesundheit wird seit 2002 untersucht, inwieweit die Aufnahme von Acrylamid in den in Lebensmitteln vorkommenden Mengen ein Risikofaktor für die Gesundheit darstellt. Laut der Risikobewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) liegt die ernährungsbedingte Acrylamidexposition in allen europäischen Altersgruppen zwischen 0,4 und 3,4 μg/kg Körpergewicht pro Tag, wobei die höchste Aufnahme bei Jugendlichen und Kindern verzeichnet wird.

 

In Deutschland ist der Pro-Kopf-Konsum von Snacks in den letzten zehn Jahren gestiegen. Popcorn und Salzstangen gehören vor allem bei Kindern und Teenagern zu den weit verbreiteten Snacks. Wie die EFSA auf der Grundlage von Tierstudien bestätigt, wird durch die Aufnahme von Acrylamid in Lebensmitteln das Krebsrisiko potenziell erhöht. Besonders betrifft dieses Problem Kinder, da sie bezogen auf ihr Körpergewicht die exponierteste Altersgruppe sind. Die Deutsche Krebsgsellschaft empfiehlt, hochbelastete Produkte zu vermeiden oder möglichst selten verzehren. Auch die Wahl und Art der Zubereitung von Speisen kann einen wesentlichen Einfluss auf den Acrylamidgehalt der Nahrung haben.

 

Verzehrtes Acrylamid wird aus dem Magen-Darm-Trakt aufgenommen, in alle Organe verteilt und stark verstoffwechselt. „Versuchstiere, die Acrylamid oral ausgesetzt sind, haben eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Entwicklung von Genmutationen und Tumoren (so etwa bei Ratten – Brustdrüse, Hoden und Schilddrüse – und bei Mäusen – Brust- und Hardersche Drüsen, Lunge, Eierstöcke, Haut und Magen)“, befand die EFSA 2015 in der Risikobewertung von Acrylamid in Lebensmitteln. Ergebnisse aus Humanstudien gaben begrenzte Hinweise auf ein erhöhtes Krebsrisiko (für Niere, Gebärmutterschleimhaut und Eierstöcke), das durch die Aufnahme von Acrylamid verursacht wird.

 

Im Juni 2024 hat die Safe Food Advocacy Europe (SAFE) mit einem Positionspapier eine europaweite Kampagne gestartet, um das Thema Acrylamid wieder auf die politische Agenda zu setzen. Die NGO fordert die europäischen Entscheidungsträger auf, Höchstwerte für stark Acrylamid-belastete Lebensmittel wie Babynahrung, Kinderkekse, Frühstücksceralien und Gemüsechips einzuführen.