BMU plant Energieausweis für Rechenzentren

Ob digitales Ticketing, Kundenkommunikation via App, Videokonferenzen mit Kolleg*nnen aus der Branche oder Filmbelieferung per Internet – die digitale Datenkommunikation ist auch im Kinobereich weiter auf dem Vormarsch. Neben den CO2-Emissionen, die unmittelbar durch den Kinobetrieb verursacht werden, spielt auch der ökologische Fußabdruck durch die digitale Datennutzung eine Rolle. Im März 2020 ist am weltweit größten Internetknoten in Frankfurt ein Spitzenwert von 9,16 Terabit Datendurchsatz pro Sekunde gemessen worden. Durch die Corona-Pandemie ist der Bedarf weiter gestiegen. Im März 2020 wurde gegenüber dem Vormonat ein Zuwachs von 30 Prozent verzeichnet.

 

Digitale Technologien und die dahinter stehenden Rechenzentren, Cloud-Dienste, Geräte sowie die Software besitzen einen beachtlichen ökologischen Fußabdruck. Bei der Online-Datenspeicherung setzen immer mehr Nutzer*nnen auf Cloud-Dienste, wodurch ihre Daten und oftmals auch die Software nicht mehr auf ihren eigenen Endgeräten, sondern auf den Servern in Rechenzentren gespeichert werden. Die serverbasierte Bereitstellung eines einzigen Büro-Arbeitsplatzes, bei dem Software in Form einer Serviceleistung in Anspruch genommen wird, verursacht im Schnitt knapp 60 kg CO2 im Jahr.

 

Der weltweite Energiebedarf von Rechenzentren wird für 2020 zwischen 200 und 1.000 TWh geschätzt. Um eine belastbare Datengrundlage darüber zu erhalten, welche Prozesse in Rechenzentren wie viel Energie verbrauchen, wo Einsparpotenziale liegen und wie sich Ressourcen effizienter einsetzen lassen, hat das Umweltbundesamt gemeinsam mit dem Öko-Institut und dem Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM)
das Forschungsprojekt Green Cloud-Computing gestartet.

 

„Es gibt extreme Unterschiede im Energieverbrauch, je nachdem wie effizient ein Rechenzentrum arbeitet“, erklärte die Bundesumweltministerin Svenja Schulze bei der Präsentation der ersten Arbeitsergebnisse. Im ineffizientesten untersuchten Rechenzentrum wurde zehnmal mehr CO2 emittiert als notwendig, weil die die Server zu gering ausgelastet sind und die Gebäudetechnik überdimensioniert ist. Um die Effizienz von Rechenzentren im Rahmen eines Benchmarkings miteinander vergleichen zu können, setzt das Ökoinstitut auf die Bildung von Energieeffizienzkennzahlen.

Damit die Umweltwirkungen der Digitalisierung transparenter werden, plant das BMU einen verbindlichen Energieausweis für Rechenzentren einzuführen, der Auskunft über ihren Energieverbrauch und ihre Leistungsfähigkeit gibt. Die Voraussetzungen dafür sollen mit dem Aufbau eines Katasters für Rechenzentren durch das Umweltbundesamt geschaffen werden. Die Bundesumweltministerin will die Forderungen nach Monitoring und mehr Transparenz auch auf EU-Ebene einbringen. Durch EU-weite Regeln könnten Cloud-Dienstleistungsunternehmen und Netzbetreiber dazu verpflichtet werden, ihre Angebote mit einem CO2-Fußabdruck zu kennzeichnen.

 

Damit die Rechenzentren in Deutschland klimafreundlicher werden, sollen Bund und Länder bei Ausschreibungen die Anforderungen des Blauen Engels ansetzen. Bei der Planung und Genehmigung von neuen Rechenzentren soll künftig die Nutzung von Abwärme berücksichtigt werden. Bei der Bewertung der Umweltwirkungen von Rechenzentren fließen sowohl die Rohstoffentnahme, Materialbearbeitung und Herstellung der wichtigsten technischen Komponenten wie Server, Speichersysteme, Switches und Netzwerk sowie die für die Nutzung erforderlichen Ressourcen wie Strombereitstellung, Kältemittelverlust und Wasserbereitstellung in die Bilanzierung ein.

 

Nicht nur die Steigerung der Energieeffizienz ist entscheidend, sondern auch der Ausbau der Datennetze. Ein ganz erheblicher Teil des Energieverbrauchs beim Videostreaming entsteht bei der Datenübertragung. „Die letzte Meile bzw. die Zugangsnetze dominieren den Energieverbrauch“, konstatiert Lutz Stobbe, Gruppenleiter im Fraunhofer IZM. Kabelgebundene Zugangsnetze wie VDSL oder Glasfaser sind wesentlich energieeffizienter als Funknetze.

 

Beim Videostreaming in HD-Qualität über einen Glasfaser-Anschluss werden für die Energie im Rechenzentrum sowie die Datenübertragung zwei Gramm CO2 pro Stunde ausgestoßen. Erfolgt das Streaming über Kupferkabel (VDSL) verdoppelt sich der CO2-Ausstoß auf vier Gramm. Bei einer Datenübertragung mit UMTS (3G), das nicht für Breitbanddienste ausgelegt ist, sind es hingegen 90 Gramm CO2 pro Stunde. Erfolgt die Datenübertragung stattdessen mit 5G-Übertragungstechnik werden nur etwa fünf Gramm CO2 pro Stunde emittiert, da 5G eine höhere spektrale Effizienz aufweist. 5G verfügt nicht nur über eine größere Bandbreite, sondern dabei kommen auch neue Modulationsverfahren zum Einsatz. Dank der besseren Kodierung der Daten kann die Datenmenge entsprechend komprimiert werden, so dass für die gleiche Qualität weniger Daten übertragen werden müssen.