Förderpriorität für die Sanierung von Bestandsgebäuden
Die Bundesregierung legt bei der Gebäudeförderung einen stärkeren Fokus auf die Sanierung von Bestandsgebäuden. In Anbetracht der angespannten Lage bei der Energieversorgung und der Zuspitzung der Klimakrise hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) eine Reform der Gebäudeförderung vorgelegt, die eine Neuaufstellung der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) vorsieht.
Von den jährlich 13 bis 14 Milliarden Euro, die im Rahmen der BEG bewilligt werden, sollen etwa 12 bis 13 Milliarden Euro für Sanierungen ausgegeben werden. 2021 sind Gebäudesanierungen mit rund acht Milliarden Euro unterstützt worden. 2020 wurden rund fünf Milliarden Euro Fördermittel für Sanierungen bewilligt. Im laufenden Kalenderjahr sind im Zeitraum von Januar bis Juli 2022 rund 9,6 Milliarden Euro in Sanierungen geflossen.
Die Neubauförderung soll ab 2023 ebenfalls eine Reform erfahren, welche das Bundesbauministerium in enger Abstimmung mit dem Bundeswirtschaftsministerium erarbeitet. Bis zum Jahresende 2022 wird das Programm Effizienzhaus-Stufe (EH) 40 mit Nachhaltigkeit-Klasse fortgeführt. Das KfW-Effizienzhaus 40, das 40 Prozent des Primärenergiebedarfs eines KfW 100-Hauses benötigt, soll in Zukunft den gesetzlichen Energiestandard für Neubauten darstellen. Die Neubauförderung wird weitgehend auf zinsverbilligte Kredite umgestellt und die Tilgungszuschüsse im Neubau auf fünf Prozent gesenkt.
Die Antragstellung für die Sanierungsförderung wird übersichtlicher gestaltet. Während die Komplettsanierung von Gebäuden von der staatlichen Förderbank KfW unterstützt wird, können Einzelmaßnahmen wie der Austausch eines Heizkessels, Fenster oder Türen beim Bundesamt für Außenwirtschaft (BAFA) beantragt werden. Um möglichst vielen Antragsteller*innen Zugang zu einer Förderung zu gewähren, werden die Fördersätze um fünf bis zehn Prozentpunkte abgesenkt.
Die förderfähigen Kosten für Einzelmaßnahmen werden auf 60.000 Euro und bei Komplettsanierungen auf 150.000 Euro gedeckelt. Dämmmaßnahmen werden mit bis zu 20 Prozent unterstützt. Der Einbau von Wärmepumpen wird mit bis zu 40 Prozent gefördert. Für eine Sanierung auf die Effizienzhaus Stufe (EH) 85 gibt es bis zu 25 Prozent Unterstützung und für eine Sanierung auf die EH 40-Stufe bis zu 45 Prozent Förderung. Bislang lag der Fördersatz für den Einbau von Wärmepumpen bei maximal 50 Prozent. Für die Anträge auf Einzelsanierung gelten beim BAFA noch bis zum 14. August 2022 die bisherigen Fördersätze. Die neuen Förderbedingungen treten ab dem 15. August 2022 in Kraft.
Laut dem Klimaschutzgesetz 2021 der Bundesregierung sollen die Emissionen von Gebäuden bis 2030 um 68 Prozent gegenüber 1990 sinken. Das bedeutet, dass der Gebäudesektor im Jahr 2030 maximal 67 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente emittieren darf, was einer Halbierung der Treibhausgasemissionen gegenüber 2020 entspricht. Dies erhöht die Dringlichkeit, auch im Gebäudebereich fossile Technologien zügig zu ersetzen und einen höheren Fokus auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu legen.
Weniger Energie zu verbrauchen, ist der günstigste und effizienteste Beitrag zu mehr Unabhängigkeit und Klimaschutz und hilft, bei den Energiekosten zu sparen.Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz
In ihrem Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung als Ziel für den Gebäudesektor beschlossen, dass 50 Prozent der Wärme bis 2030 ‚klimaneutral‘ erzeugt werden soll. Ab dem 1. Januar 2024 soll jede neu eingebaute Heizung mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden. Um bis 2035 die angestrebte Treibhausgas-Neutralität umzusetzen, muss die energetische Gebäudesanierungsrate auf deutlich mehr als zwei Prozent pro Jahr gesteigert werden.
Um die Dekarbonisierung im Gebäudesektor zu erreichen, wird bei der Förderung die energetische Sanierung von ineffizienten Gebäuden adressiert. Bei einer Komplettsanierung, die zu einer besseren Effizienzhaus-Stufe mit Erneuerbare Energien- oder Nachhaltigkeits-Klasse führt, wird ab dem 22. September 2022 zusätzlich ein Bonus für ein Worst-Performing-Building gewährt. Die wärmetechnischen Zielgrößen der BEG-Zuschüsse für Einzelmaßnahmen an der Gebäudehülle müssen den heutigen klimapolitischen Notwendigkeiten angepasst werden.
„Bis heute bemisst sich die Wirtschaftlichkeit des geforderten nachträglichen Wärmeschutzes auf der Datenbasis der Energiepreise, die vor 15 Jahren bei 5 bis 6 ct/kWh für Heizöl und Erdgas lagen“, erklärt Robert Borsch-Laaks, der als langjähriger Sachverständiger für Bauphysik in Normenausschüssen und Fachregelkommissionen aktiv war. „Das ist ein Unding, geradezu ein Anachronismus, angesichts dessen, dass es seit 2020 eine CO2-Bepreisung für fossile Brennstoffe auch im Bereich der Gebäudewärmeversorgung gibt. Jedem heute verantwortlichen Baupolitiker sollte klar sein, dass die von der alten Bundesregierung beschlossenen diesbezüglichen Steigerungen weit hinter dem zurückbleiben, was klimapolitisch das Gebot der Stunde ist.“
Rückenwind für die Sanierung des Gebäudebestands kommt aus der EU. Die Novelle der Europäischen Gebäuderichtlinie (Energy Perfomance of Buildings Directive – EPBD) sieht Mindesteffizienzstandards vor, wonach der Gebäudebestand mit der schlechtesten Energieeffizienz prioritär saniert werden muss. Für Nichtwohngebäude ist eine Renovierungspflicht geplant. Gebäude, deren Gesamteffizienz mit G oder F eingestuft worden ist, müssen bis spätestens 2027 auf das Geamteffizienzniveau F und bis 2030 auf das Niveau E gebracht werden. Derzeit befindet sich die Gebäuderichtlinie im Trilog zwischen EU-Kommission, Rat und Parlament. Im Rahmen der EPBD-Novellierung ist die Einführung eines Gebäuderenovierungspasses geplant, um europaweit einheitliche Vorgaben für die Renovierung von Gebäuden zu definieren.