Handel mit Herkunftsnachweisen hemmt Energiewende

Nicht überall wo Ökostrom draufsteht, ist auch Strom aus Erneuerbaren Energien drin. Herkunftsnachweise, die in Europa dem grenzüberschreitenden Handel mit Ökostrom dienen, ermöglichen es, fossil erzeugten Strom als Ökostrom zu vermarkten. Möglich ist das, weil die Herkunftsnachweise (HKN) getrennt von der eigentlichen Strommenge gehandelt werden. Mit den Herkunftsnachweisen wird bestätigt, dass der Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wurde.

 

Die Registrierung im Herkunftsnachweisregister für Ökostrom (HKNR), die in Deutschland das Umweltbundesamt (UBA) vornimmt, soll sicherstellen, dass keine Doppelvermarktung erfolgt. Als Ökostrom mit Herkunftsnachweisen vermarktet werden darf nur Strom, für den keine Vergütungen oder Marktprämien nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gewährt worden sind.

 

Die in Deutschland erworbenen Ökostrom-Zertifikate stammen oftmals von alten Wasserkraftwerken in Norwegen, die nicht in zusätzliche Erneuerbaren Energien-Anlagen investieren, mit denen die Energiewende vorangetrieben wird. Im Jahr 2019 stammten 98 Prozent der nationalen Stromproduktion in Norwegen aus Erneuerbaren Energien. In seiner Strombilanz wies Norwegen jedoch zu 82 Prozent eine „graue“ Stromkennzeichnung auf, weil die „grüne“ Eigenschaft des Stroms verkauft worden ist.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat 66 deutsche Großkonzerne zur Höhe ihres Strombedarfs, der anteiligen Menge von Erneuerbarer Energie und den Instrumenten zur Strombeschaffung befragt. An dieser Umfrage, die sich an börsennotierte Unternehmen aus verschiedenen Branchen wie der Automobil-, Chemie- und Pharma-Industrie, dem Telekommunikations- und Elektronik-Sektor, dem Finanz- und Verlagswesen sowie der Lebensmittel-, Drogerie-, Bekleidungs- und Tourismus-Branche richtete, haben sich zwanzig Firmenzentralen beteiligt.

 

Der gesamte Strombedarf dieser zwanzig Konzerne beläuft sich auf rund 15,7 Terawattstundem (TWh), was im Jahr 2019 etwa drei Prozent der Nettostromerzeugung in Deutschland entsprach. Die Unternehmen haben insgesamt rund. 8,7 TWh Ökostrom bezogen, womit der Anteil an Strom aus Erneuerbare Energien bei 55,1 Prozent lag. Rund die Hälfte der Firmen hat direkte Ökostrombezugsverträge (PPAs) innerhalb Deutschlands abgeschlossen. Darüber hinaus bezieht ein Großteil der Unternehmen zusätzlich Strom aus eigenen Photovoltaik-Anlagen. Bei der Strombeschaffung setzt die Hälfte der Unternehmen auf Herkunftsnachweise, mit denen konventioneller Strom als Ökostrom deklariert wird.

 

Für eine Megawattstunde (MWh) Strom, die ein Wasserkraftwerk in Skandinavien in das lokale Stromnetz einspeist, erhält es einen europaweit handelbaren Herkunftsnachweis, der dem an der deutschen Strombörse gehandelten „grauen“ Strom ein „grünes“ Etikett verleihen kann. Die Preise von Herkunftsnachweisen liegen zwischen 0,15 und 2 Euro/MWh. Für die Energiewende haben sie allerdings keinen Wert, weil durch dieses System keine neuen Anlagen zur Erzeugung Erneuerbarer Energien gebaut werden.

 

Während die Bundesnetzagentur im August 2019 in der EEG-Ausschreibung einen durchschnittlichen Zuschlagswert von 62 Euro/MWh für Windenergie an Land erteilt hat, wurde eine „graue“ Megawattstunde Strom im selben Zeitraum zu Preisen zwischen 33,8 und 45 Euro/ MWh an der deutschen Strombörse gehandelt. Beim Ökostromeinkauf hatten die Unternehmen die Wahl, über einen direktem Strombezugsvertrag (PPA) für 62 Euro/MWh Strom aus einer neuen Windenergieanlage einzukaufen oder den grauen Börsenstrom für 45 Euro/MWh mit einem zusätzlichen Herkunftsnachweis für 2 Euro/ MWh zu erwerben.

2019 sind in Deutschland Herkunftsnachweise für 100 TWh entwertet worden. Rund 96 Prozent dieser Zertifikate kamen aus dem Ausland. Wäre diese Strommenge zusätzlich zum EEG-Strom in Deutschland erzeugt und verbraucht worden, hätte das den Ökostromanteil auf 65 Prozent erhöht.

Mit der Beschaffung von Ökostrom, der in Deutschland erzeugt wird, können Unternehmen einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende leisten. Der direkteste Weg zur Erhöhung des eigenen Ökostromanteils ist, den Strom mit einer eigenen Photovoltaik-Anlagen zu produzieren, was bereits in diversen Kinos erfolgt. Für die Installation von PV-Anlagen können Kinos seit Mitte 2022 Fördermittel bei der FFA beantragen. Eine weitere Möglichkeit zur Nutzung von Ökostrom stellen Power Purchase Agreements (PPAs) dar, mit denen ein direkter Strombezugsvertrag mit einem Produzenten von Erneuerbaren Energien geschlossen wird. Für größere PV-Anlagen mit einer Nennleistung ab 100 kWp ist die Direktvermarktung gesetzlich verpflichtend.