Mehr Power mit erneuerbaren Energien

Mit mehr als 137 Terawattstunden (TWh) aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen verzeichnet die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien im ersten Halbjahr 2022 einen Zuwachs von rund 14 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr. Die Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik (AGEE-Stat), die im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die Nutzung der erneuerbaren Energien bilanziert, hat den Anteil der erneuerbaren Energien am Brutto-Stromverbrauch auf etwa 49 Prozent beziffert. Im Gesamtjahr 2021 hatte der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch bei 41 Prozent gelegen.

 

Der Zuwachs ist zum einen auf günstigere Witterungsbedingungen zurückzuführen, da mehr Wind als auch mehr Sonnenschein verzeichnet wurde. Zudem wirkt sich der steigende Zubau an neuen Photovoltaikanlagen positiv aus. Im Mai und Juni 2022 wurde aus PV-Anlagen etwa so viel Strom ins öffentliche Netz eingespeist wie aus sämtlichen Erdgas- und Steinkohlekraftwerken.

 

Die Stromerzeugung aus Windenergie, auf die etwa die Hälfte des gesamten erneuerbaren Stroms entfällt, belief sich im ersten Halbjahr auf 69 TWh, was einem Zuwachs von 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die installierte Leistung von Windenergieanlage soll bis 2030 auf 115 GW erhöht werden. Derzeit sind 57 Gigawatt (GW) an Land und Offshore-Windenergieanlagen mit einer Gesamtkapazität von 7,7 GW installiert.

Durch den Zubau von neuen Photovoltaikanlagen ist die installierte Leistung von 58,7 GW Ende 2020 um rund sechs Prozent auf 62,4 GW gestiegen. Dank dem gewachsenen Anlagenpark und der längeren Sonneneinstrahlung sind im ersten Halbjahr 2022 etwa 33 TWh Solarstrom erzeugt worden, was einem Plus von 22 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum bedeutet.

 

Sowohl die Stromerzeugung aus Biomasse und biogenem Abfall mit knapp 26 TWh sowie aus Wasserkraftanlagen mit knapp 10 TWh sind etwa auf dem Niveau des Vorjahres geblieben. Im Verkehr sind elf Prozent mehr Biokraftstoffe und vierzehn Prozent mehr erneuerbarer Strom genutzt worden. Die Aufhebung der Corona-bedingten Beschränkungen hat zu einer deutlich angestiegenen Mobilität geführt. Die Nutzung erneuerbarer Energieträger im Verkehr ist von 17,6 TWh in den ersten sechs Monaten 2021 auf 19,6 TWh im ersten Halbjahr 2022 gestiegen, was einer Zunahme von elf Prozent entspricht.

 

Im Wärmesektor ist aufgrund der wärmeren Witterung und der stark gestiegenen Preise für Öl und Gas ein rückläufiger Heizbedarf zu verzeichnen, der sowohl fossile als auch erneuerbare Energieträger betraf. Die Nutzung erneuerbarer Energien ist im Wärmebereich von knapp 116 TWh im ersten Halbjahr 2021 in den ersten sechs Monaten dieses Jahres auf rund 111 Twh gesunken, was einen Rückgang von rund vier Prozent bedeutet. Während die Nutzung der erneuerbaren Wärmequellen Holz und Biogas jeweils um sechs Prozent rückläufig war, wurde mit der Wärmenutzung aus Solarthermieanlagen ein Plus von neun Prozent verzeichnet. Der Einsatz von Wärmepumpen hat im ersten Halbjahr 2022 um acht Prozent zugelegt.

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) hat festgestellt, dass Deutschland im ersten Halbjahr 2022 verstärkt Strom nach Frankreich exportiert hat, weil es dort zu technisch bedingten Ausfällen von Kernkraftwerken gekommen ist. Die überdurchschnittlich hohen Temperaturen haben zu einer starken Erwärmung der Gewässer in Frankreich geführt. Zahlreiche Kernkraftwerke in Frankreich mussten ihre Leistung herunterfahren, weil sie ihre Reaktoren nicht mehr ausreichend herunterkühlen konnten. Bereits im Herbst 2021 mussten zahlreiche Atomanlagen in Frankreich wegen technischer Probleme abgeschaltet werden.

 

„Jetzt müssen Erneuerbare-Energien-Anlagen aus Deutschland wieder einmal den angeschlagenen Atomkraftwerken verstärkt unter die Arme greifen und Strom nach Frankreich liefern“, sagt die BEE-Präsidentin Dr. Simone Peter. „In der im Zuge der Gaskrise wieder aufgewärmten Debatte über den Atomausstieg wird hierzulande immer noch so getan, als sei die Atomenergie ein Garant für eine sichere Stromversorgung.“

 

Hinzu kommt, dass etwa die Hälfte der Brennmaterialien aus Russland stammt. „Damit ersetzen wir russisches Gas durch russisches Uran“, gibt die BEE-Präsidentin zu Bedenken. „Deutschland tut also gut daran, aus dieser unzuverlässigen und riskanten Technologie auszusteigen und stattdessen in den Erneuerbaren-Energiemix zu investieren.“

Einen ambitioniertes Szenario, wie Deutschland binnen weniger Monate unabhängig von russischen Energielieferungen werden könne, hat der Zero Emission Think Tank entwickelt, dem Energieexperten und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland angehören. In einer Lösungsstudie wird ausgeführt, dass der Ersatz von russischen Energielieferungen durch eine Diversifizierung von fossilen und atomaren Rohstoffbezügen aus anderen Lieferländern neue Abhängigkeiten schaffe und keinen Beitrag zum Klimaschutz erkennen ließe.

Eine Lösungsstrategie kann kurz- und mittelfristig nur der schnelle Ausbau der heimischen Erneuerbaren Energien, verbunden mit hohen Energieeinsparmaßnahmen und massiven Energiekosteneinsparungen sein. Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group (EWG)

Um der drohenden Gasknappheit im kommenden Winter zu begegnen, empfiehlt die Zero Emission Think Tank-Expertengruppe, die Gasspeicher mit Biogas auf 100% zu befüllen. „Wie unsere jüngste Studie zeigt, können wir mit den existierenden 10.000 Biogasanlagen 75-94 Mrd. kWh Biogas produzieren“, versichert Dr. Ingo Stuckmann, Gründer des Zero Emission Think Tanks. Dafür müssten die meisten der Biogasanlagen ans Gasnetz angeschlossen werden, was über entsprechende Verordnungen auf Bundesebene in wenigen Wochen erreicht werden könne. Bisher sind etwa 200 Anlagen an das Gasnetz in Deutschland angeschlossen.

 

Das Biogas für die Stromproduktion könnte bereits in diesem Jahr durch einen schnellen Ausbau von Wind- und Solarenergie ausgeglichen werden, wenn die 1.700 bereits genehmigten Windkraftanlagen sofort gebaut werden. Statt der ursprünglich beantragten vier Megawatt Leistung sollten sie über eine Nennleistung von sechs Megawatt verfügen. Damit ließen sich rund 40 Terawattstunden Strom im Jahr zusätzlich erzeugen.

 

Weitere Maßnahmen der Lösungsstudie sehen eine Wärmeoffensive mit rund 330.000 zusätzlichen Strom-Wärmepumpen vor, die in einem Nahwärmenetz mehrere Häuser versorgen könnten. Hinzu kommt ein umfangreiches Programm zur Innenwärmedämmung von Millionen von Wohnungen. Dieser umfangreiche Masterplan sieht Investitionen von 40 Milliarden Euro vor, wovon zehn Milliarden jährlich allein durch geringere Heizkosten eingespart werden könnten.