Wiederaufbau der Photovoltaikindustrie

Die Installation von Photovoltaikanlagen auf dem Hausdach verzeichnet in Deutschland derzeit einen Boom. Auch eine wachsende Anzahl von Filmtheaterbetreiber*innen plant das Kinodach zur Gewinnung von günstiger Solarenergie zu nutzen. Für Modernisierungsmaßnahmen, die nachhaltige Aspekte beinhalten, kann eine finanzielle Unterstützung bei der Filmförderungsanstalt (FFA) beantragt werden. Zur wachsenden Attraktivität von hauseigenen PV-Anlagen haben sowohl die 2022 steil in die Höhe geschossenen Strompreise als auch die verbesserten Rahmenbedingungen für die Erzeugung von Solarstrom beigetragen.

 

Die EEG-Umlage ist Mitte 2022 gestrichen worden und die Fördersätze für Dachanlagen in der Festvergütung sind bei einer Volleinspeisung von 6,24 Cent pro Kilowattstunde (kWh) auf bis zu 13,4 Cent pro kWh angehoben worden. Für alle PV-Neuanlagen bis einschließlich 25 kW installierter Leistung ist der 70 Prozent-Deckel für die Einspeisung gestrichen worden. Dachanlagen unter 1 Megawatt müssen nicht mehr in die Ausschreibung und auf die Lieferung und Installation von PV-Anlagen wird seit 2023 keine Mehrwersteuer mehr erhoben. Zudem lassen sich Anlagen mit Voll- und Teileinspeisung kombinieren.

 

Um dem Ausbau der Erneuerbaren Energien einen kräftigen Schub zu verleihen, sind weitere Maßnahmen geplant. Mit der Umsetzung der im Dezember 2022 im EU-Energieministerrat beschlossenen EU-Notfallverordnung (EU 2022/2577) strebt die Bundesregierung an, die Genehmigungsverfahren für Photovoltaik-Anlagen auf drei Monate zu verkürzen und das Repowering von Altanlagen zu beschleunigen. Kleinere PV-Anlagen sollen als genehmigt gelten, sofern nicht in einer bestimmten Frist eine Ablehnung erfolgt.

Auch auf Länderebene wird für mehr Tempo beim PV-Ausbau gesorgt. In Hamburg hat der Senat beschlossen, das im Februar 2020 in Kraft getretene Hamburgische Klimaschutzgesetz zu schärfen, das seit Anfang 2023 eine PV-Pflicht für Neubauten vorsieht. Im Rahmen der geplanten Novellierung soll ab 2024 eine Photovoltaik-Pflicht bei Dachsanierungen greifen und mindestens 30 Prozent der Bruttodachfläche mit PV-Modulen belegt werden. Ab dem Jahr 2027 will Hamburg als erstes Bundesland eine kombinierte Nutzung von PV- und Gründach vorschreiben. Alternativ zum Dach können Fassaden begrünt werden.

 

In Nordrhein-Westfalen ist ebenfalls eine Solarpflicht geplant, die ursprünglich am 1. Januar 2023 in Kraft treten sollte. Einer Analyse des Landverbands Erneuerbare Energien (LEE NRW) zufolge verzeichnete der Zubau von Photovoltaik-Anlagen in Nordrhein-Westfalen 2022 ein Plus von fast vierzig Prozent gegenüber dem Vorjahr. In Schleswig-Holstein greift die PV-Pflicht seit dem 1. Januar 2023 für Neubauten von Nichtwohngebäuden sowie für die Sanierung von Nichtwohngebäudedächern. In Berlin gilt die Solarpflicht seit Anfang 2023 bei einer grundlegenden Dachsanierung von Bestandsgebäuden und in Rheinland-Pfalz bei Gewerbeneubauten mit mehr als 100 Quadratmetern Nutzfläche.

 

Die Anreize und rechtlichen Rahmenbedingungen sollen dazu führen, die Ausbauraten der Photovoltaik in Deutschland ab 2026 auf 22 GWp jährlich zu steigern, um bis 2030 eine installierte Leistung von 215 GWp zu erreichen. 2022 belief sich die installierte Leistung von PV-Anlagen auf 7,18 GW, was einem Zuwachs von 26 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Um den PV-Ausbau weiter zu beschleunigen, müssen Markthindernisse wie stockende Lieferketten und Fachkräftemangel beseitigt werden.

Bislang stammen nur 0,2 Prozent der Photovoltaik-Zellen und 1,8 Prozent der Solarmodule aus europäischer Produktion.

„Insbesondere bei den Wertschöpfungsstufen Ingot/Wafer und Zellherstellung gibt es generell nur sehr begrenzte Fertigungskapazitäten in Europa”, konstatiert die Deutsche Energie-Agentur (dena) in ihrem „Entwurf einer industriepolitischen Strategie für erneuerbare Energien und Stromnetze“. Zu den Erkenntnissen aus dem Stakeholderdialog industrielle Produktionskapazitäten für die Energiewende (StiPE) gehört, dass der Wiederaufbau der Solarindustrie in Deutschland und Europa notwendig sei, da in den kommenden Jahren in Deutschland, Europa und weltweit mit einer weiter stark steigenden Nachfrage nach PV-Technologie gerechnet werde.

 

„Durch die langjährige und weiterbestehende industriepolitische Förderung haben sich in China vertikal integrierte PV-Konzerne gebildet, die durch Skaleneffekte Module zu sehr konkurrenzfähigen Stückkosten herstellen können“, stellen die Stakeholder fest. „Sie profitieren unter anderem von günstigen Strompreisen, von attraktiven Finanzierungsbedingungen und zu einem geringeren Teil auch von günstigeren Lohnstückkosten.“ Auch Indien und die USA haben industriepolitische Maßnahmen ergriffen, um PV-Fertigungskapazitäten gezielt im eigenen Land anzusiedeln.

Laut einer Erhebung des Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) lagen die Kosten der gelieferten PV-Module inklusive regionaler industriepolitischer Förderung 2022 in den USA mit 13,6 bis 20,6 $c/Wp am niedrigsten, gefolgt vom indischen Markt mit 26,4 bis 26,6 $c/Wp und China mit 27,2 $c/Wp. In Europa war die Produktion von PV-Modulen mit 32,1 $c/Wp am teuersten. Ein entscheidender Faktor stellten dabei die hohen und schwer kalkulierbaren Energiepreise dar, die den Ausbau der stromintensiven Wertschöpfungsschritte der Modulherstellung erschweren.

 

Für die Ingot- und Waferherstellung gibt es in Deutschland bislang keine industrielle Basis, aber aus Sicht der am StiPE beteiligten Stakeholder sind die Grundbausteine für einen erfolgreichen Ausbau der PV-Produktion in Deutschland und Europa gegeben. Die wichtigsten Rohstoffe, die für Wafer-basierte PV-Module benötigt werden, sind Glas, Aluminium, Polymere und Silizium. Am kritischsten zu sehen sei der Silberverbrauch für die Produktion der Zellen, der sich jedoch weitestgehend durch Kupfer substituieren lässt.

 

Um die Nachfrage von PV-Technologien aus europäischer Herstellung anzukurbeln, wird die Einführung von Nachhaltigkeitskriterien wie beispielsweise die Berücksichtigung des CO2-Fußabdrucks empfohlen. Ein wesentlicher Faktor in der Ökobilanz der PV-Module ist der Energiemix in den jeweiligen Ländern. Da bei der Herstellung eines Solarmoduls zwischen 50 bis 63 Prozent auf den Energiebedarf entfallen, wirkt sich dieser maßgeblich auf den CO2-Fußabdruck aus. Sofern sich die Nutzung von erneuerbarem Strom als deutlicher Vorteil erweist, könnte dies für internationale Wettbewerber ein Anreiz zur Errichtung von Onsite-Erzeugung darstellen.

 

Aus dem Abschlussbericht der Deutsche Energie-Agentur (dena), der die Ergebnisse der Stakeholderkonsultation enthält, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) Eckpunkte abgeleitet, um die Produktionskapazitäten für Erneuerbare Energien in Deutschland und Europa zu stärken. Im Bereich der Finanzierung sollen verschiedene Instrumente zur Investitionskostenförderung wie z. B. ein nationaler bzw. europäischer Industriestrompreis die Wettbewerbsfähigkeit von europäischen Herstellern verbessern. Zudem ist geplant, ein Konzept für einen Transformationsfonds sowie gemeinsam mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ein Vorschlag für ein geeignetes Absicherungsinstrument zu erarbeiten. Einen strategischen Schlüssel für die Energiewende stellt die Innovationsförderung dar. Zu diesem Zweck initiiert das BMWK eine Durchführbarkeitsstudie zur Wiederansiedlung der PV-Industrie in Deutschland.