Auszeit für Zuckerbomben

Jedes zweite Erfrischungsgetränk in Deutschland ist überzuckert, wie Marktstudien der Organisation foodwatch belegen. 345 von insgesamt 600 untersuchten Getränken enthalten mehr als 50 Gramm Zucker je Liter, was mehr als vier Stück Würfelzucker in einem 250ml-Glas entspricht. Der Anteil der überzuckerten Getränke auf dem deutschen Markt liegt bei 58 Prozent.

 

In kaum einem anderem europäischen Land nehmen die Menschen so viel Zucker über Erfrischungsgetränke zu sich wie in Deutschland. Zuckergesüßte Getränke gelten laut der Weltgesundheitsorganisation als eine der Hauptursachen für die Entstehung von Adipositas (Fettleibigkeit) und Typ-2-Diabetes. Aktuell sind etwa 6,7 Millionen Menschen in Deutschland an Typ-2-Diabetes erkrankt und etwa jeder vierte Erwachsene gilt als fettleibig. Allein durch Fettleibigkeit entstehen in Deutschland jährlich etwa 63 Milliarden Euro Folgekosten.

 

Nach den Erhebungen des Marktforschungsinstituts Euromonitor International liegt der Pro-Kopf-Verbrauch von Zucker über Softdrinks in Deutschland bei durchschnittlich 26 Gramm pro Tag beziehungsweise etwa 9,5 Kilogramm pro Jahr. Der Zuckerverbrauch durch den Konsum von Süßigkeiten beträgt 18 Gramm pro Tag, was einem jährlichen Pro-Kopf-Konsum von rund 6,5 Kilogramm entspricht.

Doch auch Getränke mit Süßstoffen sind keine gesunden Durstlöscher. Zuckerähnliche Ersatzstoffe wie Sorbit und Xylit haben Nebenwirkungen, lassen die Blutzuckerwerte steil abfallen und stehen unter Krebsverdacht. Der Stoff Maltodextrin kann sogar genau wie Zucker Karies fördern. Der weit verbreitete künstliche Süßstoff Aspartam, der für Light-Limonaden eingesetzt wird, hat sogar negative Auswirkung auf die Hirntätigkeit. Foodwatch fordert deshalb eine Limo-Steuer, die sowohl Getränke mit Zucker als auch mit Süßstoffe umfasst. In Großbritannien wird bereits seit 2018 eine Zuckersteuer für zuckerhaltige Getränke erhoben, die mehr als fünf Gramm Zucker pro 100 Milliliter enthalten.

 

In Irland werden Soft Drinks auf Wasser- oder Fruchtsaftbasis mit einer Zuckermenge von über fünf Gramm pro 100 Milliliter mit 20 Cent pro Liter besteuert. Für Getränke mit mehr als acht Gramm Zucker pro 100 Milliliter werden 30 Cent erhoben. Die Europäische Kommission hat Irland im Frühjahr 2018 grünes Licht für die Einführung der Zuckersteuer gegeben, da sie die Auffassung vertritt, dass zuckerhaltige Getränke die größte Kalorienquelle darstellt, die keinen Nährwert hat, und folglich gesundheitlich besonders bedenklich ist.

 

In Deutschland arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Lebensmittelwirtschaft und dem Lebensmitteleinzelhandel an einer Reduktions- und Innovationsstrategie, die eine Reduzierung von Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten auf freiwilliger Basis vorsieht. Näheren Aufschluss über Zuckerbomben und Fettfallen soll die neue Nährwertkennzeichnung Nutri-Score auf der Vorderseite von Verpackungen geben. Der Nutri-Score bewertet die verschiedenen Eigenschaften eines Lebensmittels auf einer fünfstufigen Skala, die von einem grünen A bis zu einem roten E reicht. In das Ergebnis fließen nicht nur einzelne Komponenten wie Zucker oder Fett ein, sondern es wird auch der Obst- oder Gemüseanteil im Lebensmittel berücksichtigt.

 

 

Das fünfstufige, farbliche Nutri-Score-Symbol ist bereits auf über 1.000 Verpackungen von Produkten zu finden. Weniger gesunde Lebensmittel sind damit allerdings nur selten gekennzeichnet. In Deutschland können die Lebensmittelhersteller bisher selbst entscheiden, ob sie ihre Produkte freiwillig mit dem sogenannten Nutri-Score deklarieren. Die Wirkung von freiwilligen Selbstverpflichtungen der Lebensmittelwirtschaft ist allerdings sehr begrenzt. Die EU-Kommission hat deshalb in ihrer ernährungspolitischen Strategie angekündigt, bis 2022 eine verpflichtende einheitliche Nährwertkennzeichnung einzuführen. Darüber hinaus will die Kommission die Möglichkeit prüfen, freiwillige umweltbezogene Angaben zu harmonisieren und einen Rahmen für eine Kennzeichnung nachhaltiger Lebensmittel zu entwickeln‚ in dem ernährungsphysiologische, klimatische, ökologische und soziale Aspekte berücksichtigt werden.

Infobox

Alles auf Zucker!

Der Zuckergehalt von Produkten wird nicht immer eindeutig ausgewiesen. Bei den Lebensmittelherstellern haben Zuckerarten und süßende Zutaten verschiedene Namen:
★ Saccharose
★ Dextrose
★ Raffinose
★ Glukose
★ Fruktosesirup oder Fruktose-Glukose-Sirup
★ Glukosesirup, Glukose-Fructose-Sirup oder Stärkesirup
★ Karamellsirup
★ Laktose
★ Maltose oder Malzextrakt
★ Maltodextrin, Dextrin oder Weizendextrin
★ Süßmolkenpulver
★ Gerstenmalz/Gerstenmalzextrakt

Infobox

Die Kinokomödie zum Zuckerkonsum

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