EU-weites Verbot für den Lebensmittelfarbstoff Titandioxid

Der Lebensmittelzusatzstoff E171 verleiht Schokobonbons, Cupcakes, Marshmallows und anderen Süßwaren, die an der Concession-Theke im Kino angeboten werden, ein knackiges und glänzendes Aussehen. Titandioxid (TiO2) sorgt zudem dafür, dass Zuckerglasuren eine höhere Farbintensität aufweisen. Der Einsatz dieses weißen Pigments in Lebensmitteln ist in der Europäischen Union seit dem 1. August 2022  verboten. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority – EFSA) hat Titandioxid als gesundheitsgefährdend eingestuft, da es möglicherweise krebserregend ist.

 

„Unter Berücksichtigung aller verfügbaren wissenschaftlichen Studien und Daten kam das Gremium zu dem Schluss, dass Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff nicht mehr als sicher angesehen werden kann”, erklärt Prof. Maged Younes, Vorsitzender des EFSA-Sachverständigengremiums für Lebensmittelzusatzstoffe und Aromastoffe (FAF). „Ein entscheidender Faktor für diese Schlussfolgerung ist, dass wir Genotoxizitätsbedenken nach dem Verzehr von Titandioxidpartikeln nicht ausschließen konnten. Nach oraler Aufnahme ist die Resorption von Titandioxidpartikeln zwar gering, sie können sich jedoch im Körper ansammeln.“

 

Genotoxizität bezieht sich auf die Fähigkeit einer chemischen Substanz, die DNA, also das genetische Material von Zellen, zu schädigen. Angesichts dieser Bedenken betrachten die Sachverständigen der EFSA die Verwendung von Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff nicht mehr als sicher. Aus diesem Grunde kann für E171 keine zulässige tägliche Aufnahmemenge festgelegt werden. In Frankreich dürfen Lebensmittel bereits seit 2020 kein Titandioxid mehr enthalten.

Im Rahmen einer Studie der französischen Agentur für Lebensmittel, Umwelt und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (ANSES) haben Wissenschaftler anhand von Tierversuchen nachgewiesen, dass eine regelmäßige orale Einnahme von E171 dem Immunsystem schadet. Titandioxid führt zu Darmentzündungen, weil es die Darmbarriere durchbrechen kann und als Nanopartikel ins Blut gelangt. Daraufhin hat die EFSA 2019 eine Stellungnahme zu möglichen gesundheitlichen Auswirkungen des Lebensmittelzusatzstoffs Titandioxid veröffentlicht.

 

Nach der Neubewertung dieses Lebensmittelzusatzstoffes, der in der EU im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008  zugelassen worden war, hat die Europäische Kommission den Mitgliedsstaaten vorgeschlagen, den Farbstoff künftig in Lebensmitteln zu verbieten. „Die Sicherheit unserer Lebensmittel und die Gesundheit unserer Verbraucher sind nicht verhandelbar“, betont Stella Kyriakides, EU-Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. „Ich zähle auf die Zusammenarbeit mit den Behörden der Mitgliedstaaten, um sicherzustellen, dass die Lebensmittelunternehmer die Verwendung von E171 in Lebensmitteln einstellen.“

 

Die Verordnung (EU) 2020/217 der Kommission vom 4. Oktober 2019 zur Änderung der CLP-Verordnung (Classification, Labelling and Packaging) ist im Februar 2020 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden. Mit der CLP-Verordnung ist 2009 europaweit ein neues System für die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen eingeführt worden. Die EU-Mitgliedstaaten haben dem Vorschlag der Europäischen Kommission zugestimmt, ab 2022 die Verwendung von Titandioxid (E171) als Zusatzstoff in Lebensmitteln zu verbieten. Nach der sechsmonatigen Auslaufphase gilt seit dem 1. August 2022 ein vollständiges Verbot für Lebensmittel.

 

Während der Zusatzstoff E171 nicht mehr in Schokolinsen, Zuckerguss, Mayonnaise, Mozzarella oder Fertiggerichten wie Backmischungen, Suppen, Brühen, Soßen, Salaten und Brotaufstrichen enthalten sein darf, kann Titandioxid weiterhin in Zahnpasta, Kosmetika, Sonnenschutz- und Nahrungsergänzungsmitteln sowie auch in Medikamenten verwendet werden. Aufschluss darüber gibt die Kennzeichnung „CI 77891″.

Für den Einsatz des Fabpigments in Wandfarben und Lacken gilt seit dem 1. Oktober 2021 im Rahmen der CLP-Verordnung ebenfalls eine entsprechende Kennzeichnungspflicht. Die Verpackung von festen Gemischen, die mindestens 1 % Titandioxid enthalten, muss  folgenden Hinweis tragen: EUH212: „Achtung! Bei der Verwendung kann gefährlicher lungengängiger Staub entstehen. Staub nicht einatmen.“

 

Aufgrund der Anwendungsvielfalt konstatiert das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), dass im Rahmen einer gesundheitlichen Bewertung von Titandioxid alle wichtigen Aufnahmewege betrachtet werden müssen. Dazu gehört die Aufnahme über die Haut (dermal), über die Atemwege (inhalativ) oder über den Verdauungstrakt (oral). Die orale Aufnahme könne durch den Verzehr von Lebensmitteln erfolgen, die den Zusatzstoff E 171 enthalten. Dermal über Hautpflegeprodukte werde Titandioxid hingegen nicht aufgenommen.

 

„Das Einatmen von feinen Partikeln und insbesondere von Nanopartikeln wird allgemein als gesundheitlich kritisch angesehen, da diese in Tierstudien zum Teil tief in die Lunge eindringen und chronische Entzündungen hervorrufen können“, befindet das Bundesinstitut für Risikobewertung. In Ratten hat das Einatmen extrem hoher Titandioxid-Konzentrationen über einen sehr langen Zeitraum zur Bildung von Lungentumoren geführt.